Demokratie-Initiative: Für Föderalismus ohne Willkür
Heute hat der Bundesrat seine Botschaft zur Demokratie-Initiative vorgelegt. Er lehnt die Initiative für ein faires und zeitgemässes Bürgerrecht ab, weil sie in den Föderalismus eingreife. Gleichzeitig legt der Bundesrat in einem Bericht dar, warum sich Menschen nicht einbürgern lassen: hohe Kosten, mangelnde Informationen zum Prozess und der ungewisse Ausgang des Verfahrens. Der Bundesrat kommt zum Schluss, dass bei der Einbürgerung erhebliche kantonale Unterschiede bestehen, wodurch die Chancengleichheit nicht in allen Fällen gewährleistet ist. Genau dort setzt die Demokratie-Initiative an. Nun liegt der Ball beim Parlament, im Bürgerrecht für Föderalismus ohne Willkür zu sorgen.
Der Bundesrat hat heute in einer Medienmitteilung seine Haltung zur Volksinitiative “Für ein modernes Bürgerrecht (Demokratie-Initiative)” dargelegt. Er lehnt die Initiative ab, da sie zu sehr in den Föderalismus eingreife. Aktion Vierviertel bedauert diesen Entscheid, zumal der Bundesrat parallel dazu auch einen Bericht als Antwort auf ein entsprechendes Postulat veröffentlicht, der aufzeigt, was die Menschen derzeit von der Einbürgerung abhält. Zentral sind dabei die hohen Kosten, die langen und oftmals intransparenten Prozesse, und der entsprechend ungewisse Ausgang des Verfahrens: Zu zahlreich sind die Geschichten von Menschen, deren Einbürgerung aufgrund willkürlicher Gründe abgelehnt wurde. Somit bleibt mehr als ein Viertel der Menschen, die in der Schweiz leben, lieben und arbeiten, von der Demokratie ausgeschlossen.
Föderalismus ohne Willkür
“Genau hier setzt die Demokratie-Initiative an”, sagt Arbër Bullakaj, Co-Präsident von Aktion Vierviertel, “sie unterstreicht den Föderalismus als Grundpfeiler des Schweizer Systems, aber auch die Rechtsstaatlichkeit ohne Willkür und Schikane”. Die Initiative belässt das Einbürgerungsverfahren bei den Kantonen und Gemeinden, aber verlangt schweizweit objektive und gerechte Einbürgerungskriterien. Damit wäre das Einbürgerungsverfahren transparent und nachvollziehbar, und es würde Bürokratie abgebaut und damit Kosten gesenkt, ohne dass die Einbürgerung zentralisiert wird. “Die Schweizermacher gehören in die Mottenkiste der Schweizer Geschichte”, so Bullakaj.
Mit der Botschaft des Bundesrats geht die Initiative nun ins Parlament. Es gibt zahlreiche Stellschrauben, mittels derer das Einbürgerungsverfahren vereinheitlicht, vereinfacht und verbessert werden könnte. “Wir hoffen, dass das Parlament die Gelegenheit nutzt, die Einbürgerungshürden zu senken und unsere Demokratie zu stärken”, sagt Arbër Bullakaj. Zu diesem Zweck ist die Demokratie-Initiative mit Vertreterinnen und Vertretern aus unterschiedlichen Fraktionen in Kontakt.
Kontaktpersonen für Medienanfragen:
Arbër Bullakaj (DE), Nadra Mao (FR), Agnese Zucca (IT)
Co-Präsidium Aktion Vierviertel
kontakt@demokratie-volksinitiative.ch
Von der Freude, da sein zu dürfen!
Vor einem Monat haben Elias Studer und Orhan vor Bundesgericht einen historischen Erfolg erzielt. Dieser Erfolg wiederum hat Schuan Tahir dazu ermutigt, seine Geschichte zu erzählen: Er wurde nicht eingebürgert, weil er ein Autonummernschild zu lange nicht zurückgeschickt hatte. Das ist leider kein Witz. Solche Bagatellen reichen heute aus, um die Einbürgerung zu verweigern. Wir setzen uns dafür ein, dass sich das nun hoffentlich bald ändert.
Ein trauriger Höhepunkt der letzten Wochen war auch der SRF-Rundschau-Beitrag zur Nicht-Einbürgerung eines holländischen Paars, das seit 20 Jahren in der Schweiz lebt. Die Gemeinde kam zum Schluss, die beiden hätten zwar einen tadellosen Leumund, ausreichende Deutschkenntnisse sowie geordnete persönliche und finanzielle Verhältnisse. Aber es habe beim Wissen über Politik und Gemeinde gehapert und sie seien «nicht genügend integriert». Der SVP-Gemeindepräsident liess verlauten, man sehe sie nirgends im Dorf und – Achtung! – man spüre schlicht nicht, dass das Paar Freude habe, da sein zu dürfen.
Ob «die Freude, da sein zu dürfen» ein Einbürgerungskriterium ist? Natürlich nicht. Das geht in einem Rechtsstaat niemanden etwas an, und «spüren» ist auch nicht gerade das, was Einbürgerungskommissionen hauptsächlich tun sollten. Aber in der Schweiz lässt sich unter dem Integrationsbegriff so gut wie alles fassen, um eine Einbürgerung abzulehnen. Der Fall von Ronny und Saskia steht exemplarisch für die Herr-im-Haus-Mentalität, die der Schweizer Einbürgerungspolitik zugrunde liegt. Wie die Kaiser im alten Rom: Daumen hoch oder Daumen runter, nach freiem Belieben, oder eben: die absolute Willkür.
Der Rundschau-Beitrag nimmt den Entscheid der Gemeinde aufs Korn, indem er aufzeigt, dass viele Einwohner:innen die Wissensfragen für die Einbürgerung selbst nicht beantworten können. Der höchste Berg? Der Unterschied zwischen National- und Ständerat? Alle durchgefallen. Der Gemeindepräsident verteidigt die Fragen, die Einbürgerung sei wie die Autoprüfung: Man bereite sich darauf vor, dann schaffe man das. Nur: Die Autoprüfung müssen alle bestehen, die ein Auto fahren wollen. Für den Schweizer Pass müssen die meisten gar keine Prüfung absolvieren, während andere dieses schikanöse Verfahren auf sich nehmen müssen.
Nicht nur bei den Wissensfragen müssen Einbürgerungswillige mehr beweisen als die Durchschnittsschweizerin. Eine neue Studie zeigt mittels einer Umfrage auf, dass die Erfüllung gewisser sozialer Normen, die typischerweise im Rahmen der «Integration» verlangt werden, von «Ausländern» stärker erwartet wird als von der Gesellschaft als ganzes. Die Migrationsforschung spricht dabei von der sogenannten «Integrationsdispensation»: Integration wird nur von einem ganz bestimmten Teil der Bevölkerung eingefordert und überprüft, von allen anderen nicht.
Es gibt noch viel zu tun auf dem Weg zur vollwertigen Demokratie, lass uns gemeinsam daran weiterbauen. Hilfst du uns, Geschichten wie jene von Orhan, Schuan, Saskia und Ronny bekannter zu machen?
[Spende für die Vierviertel-Demokratie]
Danke, dass wir auf deine Unterstützung zählen dürfen!
Deine Aktion Vierviertel
Historischer Entscheid des Bundesgerichts: Gesamtwürdigung bei Einbürgerung entscheidend
Medienmitteilung vom 21. Mai 2025 der Aktion Vierviertel
Heute hat das Bundesgericht nach einer öffentlichen Urteilsberatung einen historischen Entscheid gefällt. Die Integrationskriterien für die Einbürgerung müssen in einer Gesamtwürdigung betrachtet werden. Die Einbürgerung darf nicht aufgrund eines einzelnen Bagatelldelikts – im vorliegenden Fall ein Selbstunfall im Strassenverkehr – verweigert werden. Der heutige Entscheid ist ein wichtiger Schritt hin zu einem modernen Bürgerrecht, wie es die Demokratie-Initiative fordert.
Ein Selbstunfall im Strassenverkehr (Sekundenschlaf) nach einem Wanderausflug bedeutet für einen Goldauer Wirt, dass er für fünf Jahre von der Einbürgerung ausgeschlossen werden sollte. Nach dem Schwyzer Verwaltungsgericht kommt nun auch das Bundesgericht letztinstanzlich zum Schluss: Die Integrationskriterien müssen stets in einer Gesamtwürdigung betrachtet werden. Demnach darf die Integration nicht allein aufgrund eines einmaligen Fehltritts im konkreten Einzelfall als unzureichend beurteilt werden, wenn alle übrigen Integrationsanforderungen derart positiv beurteilt werden wie im vorliegenden Fall.
Entscheid von grundlegender Bedeutung
Der heutige Entscheid des Bundesgerichts verlangt eine grundlegende Praxisänderung der Einbürgerungsbehörden. Auch bei kleineren Fehltritten muss stets eine Gesamtwürdigung der Integrationskriterien vorgenommen werden. «Killerkriterien sind damit nicht mehr zulässig», stellt Elias Studer erfreut fest, der den Fall als Rechtsvertreter strategisch begleitet hat. Schweizweit müssen die Behörden nun ihre Praxis grundsätzlich ändern. Integrationskriterien müssen neu stets gesamthaft beurteilt werden, niemand darf somit pauschal beispielsweise aufgrund von kleineren Verkehrsdelikten von der Einbürgerung ausgeschlossen werden.
Als Mitinitiant der Demokratie-Initiative freut sich Studer über den heutigen Entscheid. Es ist ein wichtiger Schritt hin zu einem modernen Bürgerrecht, wie es die Initiative fordert. Für den Goldauer Wirt ist das Urteil eine späte Genugtuung: Aufgrund der Länge des Verfahrens ist die nun offiziell rechtswidrige Sperrfrist von fünf Jahren ohnehin abgelaufen
– seiner Einbürgerung sollte also endlich nichts mehr im Weg stehen.
Kontaktpersonen für Medienanfragen:
Arbër Bullakaj (DE), Nadra Mao (FR), Agnese Zucca (IT)
Co-Präsidium Aktion Vierviertel
kontakt@demokratie-volksinitiative.ch
Thurgauer Stolz oder: Willkür im Namen des Föderalismus
Letzte Woche hat der Bundesrat entschieden, die Demokratie-Initiative ohne Gegenvorschlag abzulehnen. Begründet hat der diesen Entscheid mit dem guten alten Föderalismus-Argument: Die Initiative greife erheblich in die bestehenden kantonalen Kompetenzen und die föderalistische Ausgestaltung des ordentlichen Einbürgerungsverfahrens ein. Doch was bedeutet dieser föderalistische Flickenteppich in der Praxis?
Ausgerechnet an dem Tag, an dem der Bundesrat seinen Entscheid kommunizierte, lehnte der Thurgauer Grosse Rat die Einbürgerung von Talal Aldroubi ab. Der Syrer lebt seit 19 Jahren in der Schweiz, seit sieben kämpft er um den roten Pass. Die Gemeinde Romanshorn hatte Aldroubi aufgrund seiner damaligen finanziellen Verhältnisse nicht eingebürgert. Er zog daraufhin bis vor das Bundesgericht.
Das Bundesgericht äusserte zunächst Zweifel, ob der Kanton das Kriterium der «geordneten finanziellen Verhältnisse» überhaupt vorsehen und damit das Bundesrecht beliebig verschärfen darf. Aber eben: der Föderalismus und die kantonalen Kompetenzen. Das Gericht liess die Frage somit offen. Es kam unabhängig davon zum Schluss, dass eine geringfügige Schuld von nur rund 11’500 Franken ohnehin nicht bedeuten könne, dass Aldroubi in «ungeordneten finanziellen Verhältnissen» lebe. Zumal er gut integriert sei, Deutsch spreche, keine Betreibungen habe und keine Gefahr für die Sicherheit darstelle, so das Gericht. Es hielt unmissverständlich fest: die Argumentation der Gemeinde sei willkürlich und haltlos.
Das Bundesgericht wies die Gemeinde an, Aldroubi einzubürgern, was diese dann tat. Im dreistufigen Verfahren brauchte es nun nur noch die Zustimmung des Kantons. Doch wer nun glaubte, das sei eine reine Formalität, machte die Rechnung ohne den Föderalismus. Die Justizkommission des Kantonsparlaments stellte die kantonalen Gesetze über den Bundesgerichtsentscheid. In den Worten eines Parlamentariers: «Es ist egal, was das Bundesgericht entschieden hat.» Das Parlament folgte der Justizkommission und lehnte die Einbürgerung des Syrers mit 72 zu 42 Stimmen deutlich ab.
Der Bundesgerichtsentscheid? Die Rechtsstaatlichkeit? Die Kosten, die aller Voraussicht nach beim Kanton anfallen werden, weil Aldroubi abermals vor Bundesgericht geht und wohl abermals Recht bekommen wird? Pustekuchen. Das deutliche Nein sei das Resultat des Thurgauer Stolzes, so ein Ratsmitglied.
Der Fall Aldroubi ist unfassbar, aber nicht überraschend. Es ist ein Einzelfall, der keiner ist. Diese Willkür hat im Schweizer Einbürgerungsverfahren System. Und man muss sich fragen: Will der Bundesrat wirklich diese Willkür aufrechterhalten, im Namen des Föderalismus?
Der Kanton Thurgau und die Ablehnung des Bundesrats zeigen: Es braucht die Demokratie-Initiative, mehr denn je. Nun liegt der Ball beim eidgenössischen Parlament, um die Willkür im Schweizer Einbürgerungsprozess zu überwinden. Und falls sich dieses, wie der Bundesrat, hinter dem Föderalismus versteckt und aus der Verantwortung stiehlt, dann müssen wir der Demokratie-Initiative an der Urne zum Erfolg verhelfen. Hilfst du uns, die Willkür im Einbürgerungssystem zu bändigen?
Herzlichen Dank für deine Unterstützung
Deine Aktion Vierviertel
Die Ablehnung des Bundesrats zeigt: Es braucht die Demokratie-Initiative
Heute hat der Bundesrat seinen Richtungsentscheid zur Volksinitiative «Für ein modernes Bürgerrecht (Demokratie-Initiative)» gefällt: Er lehnt sie ohne Gegenvorschlag ab und sieht keinen Handlungsbedarf im Schweizer Einbürgerungsrecht. Damit bestätigt der Bundesrat, dass die Veränderung hin zu einem modernen Bürgerrecht und zur Vierviertel-Demokratie aus der Zivilgesellschaft kommen muss. Nun liegt es am Parlament, dem bestehenden Demokratiedefizit mit einem zeitgemässen Einbürgerungsrecht zu begegnen.
Der Bundesrat hat in seinem heutigen Richtungsentscheid die Ablehnung der Demokratie-Initiative ohne direkten oder indirekten Gegenvorschlag beschlossen. Er sieht keinerlei Handlungsbedarf im Schweizer Einbürgerungsrecht. Weiter wie bisher mit den Schweizermachern, so das Credo. Die Demokratie-Initiative hat mit über 100’000 Unterschriften auf das herrschende Demokratiedefizit aufmerksam gemacht:
Inzwischen ist mehr als ein Viertel (27 Prozent) der Schweizer Bevölkerung von gleichen politischen Rechten und damit von der Demokratie ausgeschlossen. Dies schadet dem Zusammenhalt der Schweiz und den demokratischen Institutionen. Dabei gäbe es viele Hebel und Stellschrauben, um das Einbürgerungsverfahren fairer und weniger willkürlich zu gestalten, etwa bei den nicht mehr zeitgemässen
Wohnsitzfristen auf Kantons- und Gemeindeebene, der Anforderung der Niederlassungsbewilligung (C), der Mindestaufenthaltsdauer von zehn Jahren, den zahlreichen Integrationskriterien oder mit Erleichterungen für die zweite Generation sowie der Entbürokratisierung des Einbürgerungsverfahrens. Auch auf Verordnungsstufe gäbe es Spielraum für schnellere, kostengünstigere und fairere Verfahren, beispielsweise bei der Protokollierung von Einbürgerungsgesprächen und durch die Digitalisierung. Der Zugang zum Schweizer Bürgerrecht und damit zur vollen politischen Teilhabe muss einfacher, fairer und schneller werden, damit die Schweiz ihrem Ruf als Vorzeigedemokratie gerecht werden kann.
Die Ablehnung des Bundesrats zeigt, dass es die Demokratie-Initiative braucht. Und dass die Bewegung für ein modernes Bürgerrecht nach wie vor aus der Zivilgesellschaft kommen muss. Nun liegt es am Parlament, Schritte zur Erleichterung der Einbürgerungen in Angriff zu nehmen. Das Schweizer Bürgerrecht braucht einen Paradigmenwechsel: Wer dauerhaft hier lebt, soll einen Anspruch auf
Einbürgerung und vollwertige Teilhabe an der Gesellschaft haben.
Kontaktpersonen für Medienanfragen:
Arbër Bullakaj (DE), Nadra Mao (FR), Agnese Zucca (IT)
Co-Präsidium Aktion Vierviertel
kontakt@demokratie-volksinitiative.ch





