1970 hat das Schweizer Stimmvolk die Schwarzenbach-Initiative knapp abgelehnt. Trotzdem hat sie seither den fremdenfeindlichen Diskurs über Ausländer:Innen und Einbürgerung geprägt. Aktion Vierviertel will dieser rückständigen Hegemonie ein Ende setzen.
Letztes Jahr jährte sich die knappe Ablehnung der Schwarzenbach Initiative gegen die «Überfremdung» zum fünfzigsten Mal. Vielerorts wird deren damaliges Scheitern als Zeichen einer humaneren Schweiz gedeutet, welche schliesslich doch «Menschen» und nicht lediglich «Arbeitskräfte» ins Land geholt hätte.
Auf den zweiten Blick gibt es aber wenig zu feiern. Zwar hat sich die Schweiz am Erbe der damaligen Gastarbeiter:innen wirtschaftlich, kulturell, sozial und, warum auch nicht, kulinarisch enorm bereichert und ist insgesamt zu einer offeneren, diverseren Gesellschaft geworden. Trotz der Ablehnung in der Volksabstimmung hat die Schwarzenbach Initiative die Schweizer Politik jedoch grundlegend und nachhaltig verändert. Gastarbeiter:innen wurden oft unter Generalverdacht gestellt und einer restriktiveren Praxis unterstellt, viele wurden regelrecht gedrängt, das Land zu verlassen als die Ölkrise 1973 ausbrach und die Einbürgerungsregelungen wurden stetig verschärft. Schlimmer: ausländerfeindliches, rechtspopulistisches Gedankengut wurde salonfähig und hat den politischen Diskurs während den letzten fünf Jahrzehnten entscheidend mitgeprägt.
Ein trauriges Ergebnis dieser Entwicklung ist die heute existierende politische Zweiklassengesellschaft. Knapp drei Viertel der Bevölkerung, in den Städten oft kaum zwei Drittel, entscheiden über die politischen Geschäfte, bestimmen z.B. wie unsere Schulen zu funktionieren haben oder wie viel Steuern wir bezahlen sollen. Gleichzeitig sind mehr als zwei Millionen Mitbürger:innen, die nicht über den roten Pass verfügen, von all den Entscheiden unmittelbar betroffen, von der aktiven Mitwirkung in unserer direkten Demokratie jedoch ausgeschlossen. Im Alltag begegnen sie uns als Arbeitskolleg:innen, als Freunde und Freundinnen, als Bekannte, die rege am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben teilhaben und ihre Steuern bezahlen. Wenn wir uns aber am Abstimmungssonntag umsehen, in die Parlamente oder Exekutiven schauen, sind sie nicht dabei. Sie sind davon ausgeschlossen, ausser sie meistern die zahlreichen, langwierigen und teuren Hürden des Einbürgerungsverfahrens. Diese Hürden sind speziell für Personen, die wegen ihrer Arbeit, der Lehre oder anderen Gründen den Wohnort und auch den Kanton wechseln müssen, kaum zu nehmen.
2019 hat unser ein Land einen fortschrittlichen Schub erlebt: Frauen, Junge und Umweltthemen sind entscheidend vorwärts gekommen. 2021 muss das Ende der Ära Schwarzenbach einleiten. 50 Jahre sind mehr als genug! Unsere Gesellschaft und unsere direkte Demokratie dürfen sich die bestehende politische Zweiklassengesellschaft nicht länger leisten. Wir brauchen alle Köpfe, um gemeinsam die Zukunft zu meistern. Es ist Zeit für ein radikales Umdenken bei der Einbürgerung unserer bisher ausgeschlossenen Mitbürger:innen! Es ist Zeit für eine breite Bürgerbewegung, die unser verstaubtes und reaktionäres Bürgerrecht endlich unserer gelebten Wirklichkeit anpasst! Es ist Zeit für ein Grundrecht auf Einbürgerung!