Warum wir hier sind. Weil wir etwas zu feiern haben. Dass über 130’000 Menschen die 4/4 Initiative unterschrieben haben. Jede Unterschrift bedeutet eine Stimme. Und es haben auch Menschen für die Initiative gesammelt, die keine Stimme haben. In diesem Land, in dem sie leben, arbeiten, Steuern zahlen, ihre Ideen einbringen; in diesem Land, in dem ihre Kinder geboren sind, die Schule besuchen und Freundschaften knüpfen, über alle Nationalitäten hinweg. Seien wir ehrlich: Ist es nicht verrückt, dass dafür Unterschriften gesammelt werden müssen? Dass ein Land seinem Demokratie-Anspruch eigentlich nicht gerecht wird? Dass eine Demokratie, die sich für die beste aller Demokratien hält, einen Viertel ihrer Bevölkerung vom Stimm- und Wahlrecht ausschliesst? Ist das verrückt – oder kalkuliert?
Kalkuliert? Warum das kalkuliert sein soll, fragen Sie mich?
Weil der Umgang mit dem Stimm- und Wahlrecht sehr emotional ist. Und diese Emotionalität politisch profitabel ist. Weil man mit einem absurd exklusiven Bürgerrecht einen Keil treibt zwischen jene, die eine Stimme haben und den anderen, die keine Stimme haben und keine haben sollen. Stimme und stumm. Es ist aber, wir wissen es längst, demokratiepolitisch bedenklich, dass es Städte gibt wie Kreuzlingen, in denen mitunter 10% der Bevölkerung den Ausgang der Wahlen und Abstimmungen entscheiden. 10%. Das klingt nicht nach Demokratie. Sie haben Recht. Auch nicht nach Monarchie. Wir müssten einen neuen Namen erfinden. Eine Zehntel-Demokratie? Klingt nicht gut. Aber tatsächlich, die Richtung, in die sich die Schweiz demokratiepolitisch entwickelt, ist bedenklich. Deshalb sind wir hier. Um zu feiern. Und um zu sagen: Hier stimmt was grundsätzlich nicht. Mit dieser Ur-Demokratie. Die Schweiz, das wissen wir, schwärmt gern vom Vollfett-Käse, aber die Realität sieht anders aus. Mager-Demokratie. Das hat was. Ich bin nicht hier, um Scherze zu machen. Warum eigentlich nicht? Besser scherzen, als verzweifeln. Wenn in der ältesten Demokratie, mit ihren checks and balances, ein Krimineller Präsident wird. Da stellt sich auch die Frage, wie das demokratiepolitisch zu rechtfertigen ist. Wenn Markus Somm von einer «reifen Demokratie» schwärmt. Reif – wie schön. Eine reife Frucht. Eine reife Liebe. Eine reife Leistung. Zum Pflücken reif. Mir wird schwindlig, bei so viel Reife, Herr Sommer. Danke Herr Rutishauser, dass sie diese reife Einschätzung ohne Wenn und Aber publizierten, in Ihrem Sonntagsblatt. Aber wir sind ja hier, nicht dort, im Land der Grenzenlosen. So reif sind wir noch nicht. Auch wenn einige gern schon so reif wären. Doch lassen Sie mich eine ernste Frage stellen: Warum hängt die Mehrheit so an ihrem Stimm- und Wahlrecht? Warum wollen sie es so ungern teilen? Teilen ist natürlich missverständlich, aber Sie wissen, was ich meine.
Vox-Analysen zu verschiedenen ausländerpolitischen Vorlagen zwischen 1970 bis 1987 haben ergeben, dass die Stimmberechtigten jeweils für oder gegen «Ausländer:innen» stimmten, ganz egal, worum es im Einzelnen in der Vorlage ging. Angst vor «Überfremdung» – so wurde ein ablehnender Entscheid oftmals begründet; «die Ausländer sollen nicht über uns bestimmen», bald seien die Schweizer «Untertanen». Erstaunlich, finden Sie nicht? Da drängen sich demokratiepolitisch und natürlich auch menschlich ein paar Gedanken auf. Ihr sollt nicht über uns bestimmen, also bestimmen wir über euch. Naja. Wir sind schliesslich hier geboren, auf Schweizerboden. Und dann das Wort «Untertanen». Naja. Da denke ich direkt an die Obrigkeit. Ans Mittelalter, an biblische Zeiten. Und das Prinzip «Überfremdung» hat sich ja bewährt; seit 100 Jahren holen es die guten Vögte aus dem Giftschrank, um ihre Gefolgschaft bei jeder sich bietenden Gelegenheit daran zu erinnern, dass sie «überfremdet» werden, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis sich die masseneingewanderten «Fremden» ihr Bürger- und Stimmrecht «erschleichen». Bis jetzt hat sich das Stimmvolk aber gewehrt, bei jeder Abstimmung über die politischen Rechte die Stimme erhoben, ein klares und deutliches und niederschmetterndes «Nein» in die Urne gelegt, wir lassen es nicht zu, dass die Fremden über uns bestimmen.
Absurd, nicht wahr? Dass man als Stimmberechtigte dieses angestammte Geburts-Privileg bewahren möchte, sozusagen als Läckerli aus guten alten Zeiten, da die wehrhaften Schweizer die fremden Vögte aus dem Land jagten. Erstaunlich, wie weit man gehen kann, um nicht über die eigenen Gratis-Privilegien nachdenken zu müssen, der unvergleichlichen Lust, sich überlegen zu fühlen – wie bitte? Demokratie? Ja, aber nur für uns!
Aber genau deshalb sind wir hier. Weil die Schweiz ein Demokratie-Defizit hat. Weil wir an diesen grundsätzlichen Widerspruch erinnern wollen, zwischen einer nationalistischen Demokratie-Vorstellung, die sich Richtung Oligarchie entwickelt, und einer demokratischen Demokratie, in der jeder Mensch mit seiner Stimme Teil der Demokratie und Teil von demokratischen Prozessen ist. Und ja, wir wollen feiern, weil wir das Absurde geschafft haben, über 130’000 Unterschriften zu sammeln, um laut und deutlich und gemeinsam darauf aufmerksam zu machen, dass die Zukunft demokratisch ist, und das ist nur möglich, wenn die Mehrheit bereit ist, ihr wohlig wärmendes Suprematie-Denken aufzugeben.
Ce l’abbiamo fatta.
Negli ultimi 50 anni, da Schwarzenbach in poi siamo stati chiamati alle urne 13 volte per esprimerci su
iniziative volte a limitare l’immigrazione o i diritti di chi ha un presente o un passato migratorio. Oggi è
una giornata storica. Per la prima volta dal 1977, con l’iniziativa Mitenand, depositiamo un’iniziativa
popolare che invece si batte per l’espansione dei diritti dei migranti e delle migranti e di tutte le
persone che qui sono a casa.
Lo ripetiamo da 18 mesi – si tratta un quarto della popolazione, due milioni di persone che ad oggi
non vengono considerate come membri a pieno titolo della società perché sprovviste del passaporto
elvetico. Et il ne s’agit pas seulement d’exclusion des processus démocratiques, de la possibilité de
pouvoir s’exprimer sur des sujets par lesquels ces personnes – tout aussi comme ceux et celles d’entre
nous qui peuvent voter – sont concernées. Si tratta anche di avere la sicurezza di poter restare. Di non
dover temere di vedere il proprio permesso di soggiorno declassato, o ritirato, a causa di difficoltà
economiche. Il s’agit de pouvoir voyager et se déplacer en toute liberté et d’avoir la liberté de
retourner dans ce qui est son propre pays, sa propre maison.
La nostra società cambia, ma il mondo politico non reagisce, resta indietro. Nous avons reculé au lieu
d’avancer. Nos procédures de naturalisation restent discriminatoires et souvent arbitraires. Les
rapports montrent qu’on devient toujours plus sélectifs, en fonction de l’origine et de la condition
sociale et économique. Al contempo, il 40% della popolazione di questo paese ha un passato
migratorio, addirittura il 60% se consideriamo le popolazioni più giovani. Quella di cui stiamo parlando
non è solo la Svizzera del futuro. È la Svizzera di oggi. Ed era la Svizzera già ieri. Celle dont nous parlons
n’est pas que la Suisse de demain. C’est la Suisse d’aujourd’hui. Et c’était déjà la Suisse d’hier.
Dobbiamo adattare la nostra democrazia alla realtà e includere tutte le persone che contribuiscono
ogni giorno al benessere di questa società, e non soltanto a quello economico, un benessere da cui
alcuni continuano a volerle escludere. Un benessere che costruiscono, ma che in qualche modo non
gli appartiene.
Oggi scriviamo un pezzo di storia. Et si nous sommes arrivés ici, si on a franchi cette étape, c’est
surtout grâce à l’incroyable effort de nos militantes qui sont descendues dans les rues, qui n’ont rien
lâché pendant ces 18 mois. Je les remercie du fond du coeur, tout comme mes collègues d’Action
Quatre Quarts et tous ceux et celles qui se sont battus de nos côtés.
La battaglia è ancora lunga, ma oggi fermiamoci a celebrare.
Einreichung der Demokratie-Initiative ist eine historische Wende
Sehr verehrte Mitmenschen,
Liebe Zufalls-Schweizer:innen, verifizierte und zertifizierte Schweizer:innen, zukünftige
Schweizer:innen,
Liebe vielfältige Schweiz,
Geschätzte Anwesende,
Liebe Demokratie-Begeisterte und Menschenrechtler:innen,
Buongiorno, Bonjour, Guten Morgen!
Wir stehen heute vor dieser beeindruckenden Unterschriftenwand – ein Symbol für die Initiative und für die Vielfalt und Stärke der Schweizer Bevölkerung. Es war ein langer, steiniger Weg, der uns allen viel abverlangt hat. Und dennoch stehen wir heute hier, nicht nur mit über 135’000 Unterschriften, sondern auch mit einem klaren Zeichen für Veränderung und Fortschritt.
Der Weg zu dieser Volksinitiative war alles andere als selbstverständlich. Viele haben uns gewarnt: Ein kleiner, zivilgesellschaftlicher Verein wie unserer könne ein solches Vorhaben nicht stemmen. Ohne die grossen Parteien und Gewerkschaften, die den grössten Teil der Unterschriften stemmen, hiess es, sei es unmöglich, genügend Unterschriften zu sammeln. “Verschiebt es lieber”, sagten sie, “es ist zu riskant”.
Doch wir haben daran geglaubt. Wir haben an die Vision geglaubt, dass sich genug Menschen unserer Sache anschliessen würden. Und wir haben an unsere Verpflichtung geglaubt, für über zwei Millionen Menschen in diesem Land einzustehen, die längst mehr Fairness und Gerechtigkeit verdienen.
Sechs Zahlen stehen sinnbildlich für diesen Prozess: 1, 2, 3, 4, 5 und 1000.
1:
Wir sind die einzige progressive Bürgerrechts- und Migrationsinitiative der Schweiz. Seit über 50 Jahren ist keine vergleichbare Initiative lanciert worden. Und wir sind die einzigen, die das mit einem kleinen Verein, der sich zu einer lebendigen Bewegung entwickelt hat, gestemmt haben. Heute haben wir Geschichte geschrieben!
2:
Die Zwei war unser treuer Begleiter. Zwei Jahre intensiver Arbeit an unserem Manifest und an der Vereinsstruktur, zwei weitere Jahre für die Ausarbeitung der Initiative, und schlussendlich zwei Jahre für die Vorbereitung und Umsetzung der Unterschriftensammlung.
3:
Jetzt, nach der Einreichung, kann es bis zu drei Jahre dauern, bis die Initiative zur Abstimmung kommt. Aber das ist keine Zeit zum Warten – es ist eine Zeit zum Handeln. Wir werden die Bevölkerung weiter sensibilisieren, informieren und aufklären über die Hürden und die Willkür, die so viele Menschen im Einbürgerungsprozess erleben.
4:
Die Vier steht für die vier Landessprachen der Schweiz und für die Vision einer Vierviertel-Schweiz, die unseren Verein Aktion Vierviertel antreibt. Unser Ziel ist ein Paradigmenwechsel im Bürger:innenrecht – eine Chance, endlich eine vollwertige Vierviertel-Demokratie zu schaffen.
5:
Die Fünf symbolisiert ein High Five für jede einzelne Person, die diese Initiative möglich gemacht hat: Menschen, die Tag für Tag bei Sonne, Regen, Kälte oder Dunkelheit Unterschriften gesammelt haben. Ihr seid einfach grossartig!
1000:
Ich stehe hier vor euch mit Demut und Dankbarkeit. Tausendfacher Dank gebührt all jenen, die uns unterstützt haben:
– Den Mitgliedern, die unseren Verein tragen und vorantreiben.
– Dem Initiativkomitee, das unermüdlich mit uns gearbeitet hat.
– Unseren Partnern: SP, Grüne, Operation Libero, Wecollect, Juso und Junge Grüne und Gewerkschaften.
– Den weiteren NGO’s, kirchlichen Organisationen und Unterstützern.
– Meinem Vorstand, mit dem wir unzählige Stunden diskutiert, debattiert und vor allem wertvolles erschaffen haben.
– Meinen Co-Präsidentinnen Nadra Mao und Agnese Zucca für die aussergewöhnlich tolle Zusammenarbeit.
– Den Menschen mit und ohne Schweizer Pass, die uns unterstützen – jetzt und im kommenden Abstimmungskampf.
– Und allen, die Willkür erlebt, aber nie aufgegeben haben. Euer Mut und eure Beharrlichkeit inspirieren uns und geben unserer Arbeit Sinn.
Liebe Anwesende,
dieser Moment gehört uns allen – denen, die hier leben, hier mitwirken und mitgestalten wollen. Die Demokratie-Initiative ist ein Symbol dafür, dass Demokratie ein lebendiger Prozess ist, den wir alle aktiv gestalten müssen.
Lasst uns diesen Schwung mitnehmen und weiter für eine Schweiz kämpfen, in der jede Stimme zählt, jede:r gehört wird und die Demokratie eine Kraft ist, die verbindet.
Vielen Dank!
Rede Arber Bullakaj Einreichung Demokratie-Initiative – Bern 21.11.2024
Guten Tag alle zusammen. Mein Name ist Xhemile und das ist meine Schwester Sovrane. Wir stehen heute hier, weil wir eine Geschichte zu erzählen haben – eine Geschichte über Heimat, Identität und den starken Wunsch, Teil unserer Gesellschaft zu sein. Unsere Geschichte beginnt hier in der Schweiz, unserem Zuhause, seit unserem allerersten Atemzug. Wir sind hier geboren, hier aufgewachsen. Die Schweiz ist das Land, das wir kennen und lieben. Sie hat uns geprägt, unsere Werte und Träume geformt. Für uns war klar: Hier gehört unser Herz hin, und hier wollen wir auch als Bürgerinnen Teil der Gemeinschaft sein, unsere Zukunft mitgestalten. Deshalb reichten wir vor einigen Jahren als junge Pädagogikstudentinnen das Einbürgerungsgesuch ein – gemeinsam, im sogenannten ‘Doppelpack’.
Doch was dann geschah, erschütterte uns zutiefst. Fast alle Kosten waren schon bezahlt, der Prozess
war fast abgeschlossen. Aber dann kam eine Begründung, die uns sprachlos machte: Man forderte uns auf, unser Gesuch zurückzuziehen, weil wir unser Studium ja abbrechen könnten und dann Sozialhilfe beanspruchen würden.
Da standen wir nun, zwei Studentinnen voller Leidenschaft und Überzeugung, bereit, als Lehrerinnen den Kindern unserer Gesellschaft etwas zurückzugeben, und uns wurde unterstellt, wir könnten scheitern und zur Last fallen. Es fühlte sich an, als würde uns das Land, das wir Zuhause nennen, nicht als Teil seiner Gemeinschaft sehen. Als würde es sagen: ‘Ihr seid nicht wirklich willkommen hier.’
Doch wir haben unser Studium nicht abgebrochen. Wir haben es abgeschlossen und sind heute
Lehrerinnen – genau so, wie wir es immer geplant hatten. Die Schweiz ist unser Zuhause, und obwohl dieser Moment tief schmerzte, haben wir nie aufgehört zu glauben, dass wir etwas für unsere Gesellschaft tun können.
Dann kam die Demokratie-Initiative. Diese Initiative gab uns das Gefühl, dass wir wieder etwas bewegen können, dass wir für Menschen wie uns kämpfen können. Dass wir eine Stimme haben, und dass auch wir bestimmen dürfen, was in unserem Zuhause passiert. Es war und ist ein emotionaler Akt für
uns – nicht nur dabei zu sein, sondern tatsächlich etwas zu verändern.
Seitdem sind wir nach der Schule, nach einem langen Tag mit unseren SchülerInnen, oft direkt auf die
Strasse gegangen, um Unterschriften zu sammeln. Wir tun das, weil es nicht nur um uns geht – es geht um die Zukunft. Es geht darum, dass Menschen wie wir, die dieses Land lieben und hier verwurzelt sind, ein Mitspracherecht haben. Dass wir für uns selbst und für die nächste Generation einstehen können.
Wir stehen hier, weil wir an eine bessere Zukunft glauben – eine Zukunft, in der jeder, der hier lebt, gehört wird und mitgestalten kann. Eine Zukunft, in der Heimat bedeutet, dass man auch mitentscheiden darf.
Danke.
Sperrfrist: Donnerstag, 21. November, 11:00 Uhr
Medienmitteilung
Heute wurde in Bern die Volksinitiative «Für ein modernes Bürgerrecht (Demokratie-Initiative)”
eingereicht. Das Zustandekommen der Demokratie-Initiative aus der Zivilgesellschaft ist ein
historischer Erfolg und ein Zeichen der Hoffnung. Die Initiative fordert einen Paradigmenwechsel:
Wer hier lebt und objektive Kriterien erfüllt, soll einen Anspruch auf Einbürgerung und auf
vollwertige Teilhabe an der Gesellschaft haben.
Die zivilgesellschaftliche Allianz “Aktion Vierviertel” hat heute in Bern die Demokratie-Initiative mit
104’603 beglaubigten Unterschriften eingereicht. Das Volksbegehren will Einbürgerungsverfahren
mit objektiven und abschliessenden Kriterien vereinfachen und dadurch die heute oftmals
vorherrschende Willkür beenden. Derzeit schliesst die Schweiz mehr als ein Viertel der ständigen
Wohnbevölkerung vom Bürgerrecht und von gleichen politischen Rechten aus.
Die Demokratie-Initiative wird von einer breiten Bewegung aus der Zivilgesellschaft sowie von der SP,
den Grünen, der Operation Libero, der Stiftung für direkte Demokratie, Campax, der Unia, HEKS und
weiteren Organisationen getragen. In den letzten drei Monaten haben noch rund 50’000 Menschen
die Initiative unterschrieben, insgesamt wurden mehr als 135’000 Unterschriften gesammelt.
Ein emotionaler Akt
Dieser Erfolg ist in erster Linie den zahlreichen Lokalkomitees aus der Zivilgesellschaft zu verdanken.
Sie standen die letzten 18 Monate auf der Strasse und haben tausende Unterschriften gesammelt –
unbezahlt, der Witterung, dem Unterschriftenskandal und vereinzelt auch Anfeindungen zum Trotz.
Menschen wie die beiden Lehrerinnen Xhemile Istrefi Ademi und Sovrane Ademi. Die Schwestern
erzählen bei der Einreichung ihre Geschichte: wie sie sich einbürgern lassen wollten und ihnen klar
gemacht wurde, dass sie hier, wo sie geboren und aufgewachsen sind, nicht wirklich willkommen
sind. Wie sie sich von dem Schmerz nicht beirren liessen. Und dass die Demokratie-Initiative für sie
ein emotionaler Akt ist, um tatsächlich etwas zu verändern. Wie Istrefi Ademi sagt, «für eine Zukunft,
in der Heimat bedeutet, dass man auch mitentscheiden darf».
Ein Stück Geschichte
Agnese Zucca, Co-Präsidentin von Aktion Vierviertel, erinnert daran, dass das Schweizer Stimmvolk in
den letzten 50 Jahren seit der Schwarzenbach-Initiative über 13 Vorlagen abstimmte, welche die
Einwanderung und die Rechte von Ausländerinnen und Ausländern einschränken wollten. Mit der
Demokratie-Initiative wird zum ersten Mal seit der Mitenand-Initiative vor ebenfalls fast 50 Jahren
eine Volksinitiative eingereicht, die sich für die Ausweitung der Rechte von Migrantinnen und
Migranten einsetzt. Zucca betont, es gehe nicht nur um politische Rechte und um die Demokratie,
sondern auch um Aufenthaltssicherheit, Reisefreiheit und das Recht, jederzeit in die eigene Heimat,
in die Schweiz, zurückzukehren. 40 Prozent der Schweizer Bevölkerung haben einen
Migrationshintergrund, bei den Jüngeren gar 60 Prozent. «Wir sprechen nicht nur von der Schweiz
der Zukunft. Es ist die Schweiz von heute. Und es war auch die Schweiz von gestern», macht Zucca
deutlich.
Ein Symbol gelebter Demokratie
Co-Präsident Arbër Bullakaj erinnert daran, dass das Zustandebringen einer Volksinitiative für einen
kleinen, zivilgesellschaftlichen Verein alles andere als selbstverständlich ist. Dieser Erfolg zeigt, was
möglich ist, wenn Menschen sich zusammenschliessen und für eine gemeinsame Vision einstehen:
Wer hier lebt, hat einen Anspruch auf vollwertige Teilhabe. «Die Demokratie-Initiative ist ein Symbol
dafür, dass wir die Demokratie nicht als etwas Gegebenes betrachten dürfen, sondern als lebendiger
Prozess, der von uns allen mitgestaltet werden muss», so Bullakaj. Die heutige Einreichung der
Demokratie-Initiative ist ein erster Schritt hin zu einer Schweiz, in der jede Stimme zählt, in der jede
und jeder gehört wird und in der die Demokratie eine Kraft ist, die alle verbindet.
Die Zukunft ist demokratisch
Ist es nicht verrückt, dass Unterschriften dafür gesammelt werden müssen, dass alle Menschen in
diesem Land eine Stimme haben – oder ist es kalkuliert? Diese Frage stellt Schriftstellerin Melinda
Nadj Abonji aus dem Initiativkomitee – und hält fest: «Hier stimmt etwas grundsätzlich nicht, mit
dieser Ur-Demokratie. Die Schweiz, das wissen wir, schwärmt gern vom Vollfett-Käse, aber die
Realität sieht anders aus: Mager-Demokratie.» Wie Nadj Abonji betont, legt das Schweizer Stimmvolk
seit 100 Jahren aus Angst vor der «Überfremdung» stets ein deutliches und niederschmetterndes
«Nein» in die Urne. Für viele sei das Schweizer Bürgerrecht ein angestammtes Geburts-Privileg, ein
«Läckerli aus guten alten Zeiten». Die Demokratie-Initiative mache «laut und deutlich» darauf
aufmerksam, dass «die Zukunft demokratisch ist», schliesst die Schriftstellerin.
Das Zustandekommen der Demokratie-Initiative aus der Zivilgesellschaft ist ein historischer Erfolg
und ein Zeichen der Hoffnung. Es zeigt, wie dringend die Schweiz ihr Demokratie-Defizit angehen
muss, um das Versprechen der Vorzeigedemokratie auch tatsächlich einzulösen. Nun liegt es an der
Politik, die Demokratie in der Schweiz weiterzuentwickeln.
Die Reden von Xhemile Istrefi Ademi und Sovrane Ademi, Melinda Nadj Abonji, Arbër Bullakaj und
Agnese Zucca finden Sie im Anhang und (ab 11:00 Uhr) auf der Website der
Demokratie-Initiative: https://demokratie-volksinitiative.ch/
Kontaktpersonen für Medienanfragen:
Arbër Bullakaj (DE), Nadra Mao (FR), Agnese Zucca (IT)
Co-Präsidium Aktion Vierviertel
kontakt@demokratie-volksinitiative.ch
Lisa Mazzone, Präsidentin Grüne Schweiz
lisa.mazzone@gruene.ch
Cédric Wermuth, Co-Präsident SP Schweiz
cedric.wermuth@spschweiz.ch
Stefan Manser-Egli, Co-Präsident Operation Libero
stefan.manser-egli@operation-libero.ch
Daniel Graf, Stiftung für direkte Demokratie
daniel.graf@wecollect.ch
Vania Alleva, Präsidentin Unia
vania.alleva@unia.ch
Claudine Esseiva, Grossrätin FDP
Info@claudine-esseiva.ch
András Özvegyi, Co-Präsident GLP Luzern
oezvegyi@gmx.ch
Die Aktion Vierviertel ist bestürzt über die Recherche des «Tages-Anzeigers», wonach kommerzielle Unternehmen massenhaft Unterschriften für Volksinitiativen gefälscht haben sollen. Solche Fälschungen untergraben das Vertrauen der Bevölkerung in die direkte Demokratie der Schweiz. Bei der Demokratie-Initiative arbeiten wir nicht mit bezahlten Unterschriften-Sammler:innen. Sie ist ein Beispiel für den Erfolg von Initiativen, die auf zivilgesellschaftliches Engagement setzen.
Im Gegensatz zu vielen anderen Initiativen stammen die meisten Unterschriften für die Demokratie-Initiative nicht von grossen Playern wie Parteien und Verbänden, sondern aus dezentralen Basisstrukturen der zivilgesellschaftlichen Allianz Aktion Vierviertel. Mehr als drei Viertel der bisher gesammelten Unterschriften kommt von den über zwanzig Lokalkomitees in der ganzen Schweiz. Der Rest von Partnerorganisationen wie Parteien, Verbänden und Vereinen, ebenfalls in freiwilliger Arbeit. Keine der bisher gesammelten Unterschriften stammt von professionellen Sammler:innen. Vielmehr haben sich Leute zusammengeschlossen, um in ihrer Freizeit zum Sammeln auf die Strasse zu gehen. Hinzu kommt, dass viele der Engagierten selbst Migrationsgeschichte haben und also aus persönlicher Erfahrung um die Wichtigkeit eines modernen Bürgerrechts wissen.
Bis heute hat die Aktion Vierviertel rund 100’000 Unterschriften für die Demokratie-Initiative gesammelt. Noch fehlen 20’000-30’000 Unterschriften bis Ende Oktober, damit die Initiative mit genügend gültigen Unterschriften eingereicht werden kann. Dafür braucht es nun einen fulminanten Schlussspurt. Diese Herausforderung zeigt: Das Unterschriftensammeln ist zivilgesellschaftliche Knochenarbeit. Es braucht Zeit, Energie und Mut, Menschen auf der Strasse von einem politischen Anliegen zu überzeugen. Gefälschte Unterschriften erweisen diesem Engagement einen Bärendienst: Sie untergraben das Vertrauen in die direkte Demokratie.
Die Demokratie-Initiative fordert einen Paradigmenwechsel im Schweizer Bürgerrecht: Wer dauerhaft hier lebt und objektive, abschliessende Kriterien erfüllt, soll einen Anspruch auf Einbürgerung haben. Das Einbürgerungsverfahren soll vereinfacht und die heute oftmals vorherrschende Willkür beendet werden. Damit wird die Demokratie weiterentwickelt – für alle, die hier zuhause sind. Es bleibt bis Ende Oktober Zeit, genügend Unterschriften zu sammeln – freiwillig und unbezahlt.
Weitere Informationen finden Sie auf der Website der Demokratie-Initiative:
https://demokratie-volksinitiative.ch/
Kontaktpersonen für Medienanfragen:
Arber Bullakaj, Nadra Mao, Agnese Zucca
Co-Präsidium Aktion Vierviertel
kontakt@demokratie-volksinitiative.ch
Wir sind vorgestellt worden in Club Helvétique
Die Schweiz gilt als eine der ältesten ununterbrochen bestehenden Demokratien der Welt. Zu dieser langen Geschichte zählt aber, dass immer wieder erhebliche Teile der Bevölkerung von der politischen Teilhabe ausgeschlossen waren. So wurde den Frauen das Stimm- und Wahlrecht erst vor gut 50 Jahren nach mehreren Anläufen auf Bundesebene und vor rund 30 Jahren im letzten Kanton verliehen. Damit nahm der politische Ausschluss der weiblichen Schweizer Bevölkerung ein Ende und machte die schweizerische Demokratie ein Stück vollständiger.
Ausschluss der sogenannten Ausländer:innen
Heute ist noch immer ein beachtlicher Teil der Schweizer Bevölkerung von den demokratischen Prozessen ausgeschlossen: die Personen ohne Schweizer Pass. In Kreuzlingen, Renens und Spreitenbach hat heute bereits die Mehrheit der Bevölkerung keinen Schweizer Pass, die Stadt Genf mit ihren 48% nähert sich dem an. In Schweizer Städten verfügen im Schnitt 34% der Bewohner:innen nicht über das Schweizer Bürgerrecht. Sie sind hier geboren worden, als Kinder in die Schweiz gekommen oder als Erwachsene eingewandert, und viele leben schon seit Jahren in der Schweiz. Sie sind hier zu Hause, sie haben hier ihren Lebensmittelpunkt. Aber politische Rechte haben sie nicht.
Das sind 2.3 Millionen von den insgesamt 9 Millionen Menschen, welche die wachsende schweizerische Bevölkerung bilden. Dieser Viertel ist juristisch gesehen ausländisch, und ihm sind das Stimm- und Wahlrecht auf Bundesebene verwehrt. Das Stimmvolk und die Einwohner:innen der Schweiz driften damit auseinander. Auf Kantons- oder Gemeindeebene haben sie in einigen Kantonen der Romandie politische Rechte. In der Deutschschweiz erlauben drei Kantone ihren Gemeinden, das Ausländer:innen-Stimmrecht einzuführen, allerdings nutzen nur wenige Kommunen diese Chance.
Indem prozentual immer weniger Menschen Entscheide treffen, die für immer mehr Personen gelten, ohne dass diese darüber mitbefinden können, gerät die Demokratie in Schieflage. Denn die halbdirekte Demokratie der Schweiz lebt von der aktiven Beteiligung der Stimmberechtigten auf allen Ebenen des Gemeinwesens. Wer von den politischen Entscheiden betroffen ist, sollte auch darüber mitbestimmen dürfen. Ein republikanischer Grundsatz lautet: „no taxation without representation“ (keine Besteuerung ohne Repräsentation). Zwar wird bei der Sitzverteilung für den Nationalrat auch die Gesamtbevölkerung jedes Kantons berücksichtigt, also auch der auslän-dische Anteil. Die Fiktion, dass dadurch auch die ausländische Bevölkerung repräsen-tiert wird, war vielleicht noch vertretbar als diese lediglich ein paar wenige Prozente ausmachte. Wenn dieser Anteil jedoch wie heute in der Schweiz mehr als ein Viertel beträgt, lässt sich die Fiktion nicht länger rechtfertigen.
Das heutige Einbürgerungsverfahren ist wesentlich schuld daran
Diese demokratiepolitisch unbefriedigende Situation ist auch eine Folge willkürlicher und ausgrenzender Einbürgerungspolitik. Wir kennen kein Jus soli, das heisst die Verleihung der Staatsangehörigkeit aufgrund des Geburtsorts. Selbst Angehörige der Dritten Generation müssen sich immer noch einem Einbürgerungsverfahren unter-ziehen, das zwar als erleichtert bezeichnet wird, aber weiterhin hohe Hürden aufweist. Nach wie vor ist es in der Schweiz schwieriger als überall sonst in Europa, eingebürgert zu werden (einzig Zypern stellt vergleichbare Anforderungen). So ist die zeitliche Voraussetzung der Einbürgerung eine zehnjährige geregelte Anwesenheit. Hinzu kommt der Besitz der Niederlassungsbewilligung, deren Erwerb in der Regel auch bereits zehn Jahre Aufenthalt erfordert (der sich allerdings mit demjenigen für die Einbürgerung überschneiden kann). Zusätzliche kantonale und kommunale Wohnsitzfristen bewirken bei Wohnsitzwechseln, dass Einbürgerungswillige praktisch wieder bei Null beginnen müssen, wenn sie etwa aus beruflichen Gründen innerhalb der Schweiz umziehen oder vom Arbeitgeber versetzt werden. Im Zusammenhang mit den inhaltlichen Voraussetzungen wie insbesondere der erforderlichen Integration gibt es haarsträubende Geschichten über abgewiesene Einbürgerungsgesuche, zum Beispiel von Anja, die abgelehnt wurde, weil sie nicht wusste, in welchem Jahr das CERN gegründet wurde oder was das aktive und passive Wahlrecht sind. Oder Uvejsa, die abgelehnt wurde, weil sie nicht wusste, dass der höchste Berg auf dem Gemeindegebiet von Schübelbach nicht der Hausberg, sondern ein von der Ortschaft weit entfernter Gipfel ist. Oder ein 15-Jähriger aus dem Kanton Aargau, weil er sein Töffli frisiert hatte…
Die Politik der strengen Einbürgerungsvoraussetzungen trägt massgeblich dazu bei, dass die politischen Rechte einem Viertel der Wohnbevölkerung vorenthalten bleiben. Sie entlarvt auch das Argument, wer die politischen Rechte möchte, solle sich doch einfach einbürgern lassen, als heuchlerisch. Selbst wenn nicht alle ausländischen Personen in der Schweiz das hiesige Bürgerrecht erwerben möchten, so sehen viele aufgrund der hohen Hürden und Gebühren davon ab, einen Einbürgerungsversuch auch nur zu unternehmen. Das ist nicht nur aus demokratietheoretischen Überlegun-gen bedauerlich. Es ist nämlich auch wissenschaftlich erhärtet, dass sich Eingebürgerte rascher und besser integrieren. Die Einbürgerung bildet demnach einen Push-Faktor für die Integration. Solange die Schwellen zum Erwerb des Schweizer Bürgerrechts so hoch angesetzt bleiben wie derzeit, wird vielen ausländischen Personen die Integration
erschwert. Diesen Zusammenhang haben unsere Vorfahren übrigens schon vor über hundert Jahren erkannt: Um 1900 galt in der Schweiz beruhend auf dem Grundsatz „Integration durch Einbürgerung“ eine Frist für die ordentliche Einbürgerung von lediglich zwei Jahren.
Lösungsansätze
Der Ausschluss ausländischer Personen von der politischen Teilhabe könnte behoben werden durch die flächendeckende oder zumindest weitestgehende Einführung der politischen Rechte für die ausländische Wohnbevölkerung. Im Vordergrund stünde dabei, allen steuerpflichtigen Personen die politischen Rechte zuzugestehen, getreu des erwähnten Grundsatzes «no taxation without representation». Dies könnte un-mittelbar oder nach einer bspw. fünfjährigen Anwesenheit in der Schweiz erfolgen. Ein solcher Schritt ist ernsthaft zu prüfen. Allerdings scheitern entsprechende Bestrebungen häufig am Willen der politischen Entscheidungsträger:innen unter Einschluss des Stimmvolks.
Alternativ fällt in Betracht, die Schwellen für die Einbürgerung zu senken und damit den Zugang zu den politischen Rechten durch Erwerb des Bürgerrechts zu erleichtern. Nur schon ein solcher Schritt würde erheblich dazu beitragen, das störende Demokratiedefizit zu schmälern. Dafür gibt es verschiedene Varianten. Diese reichen von der Einführung des Jus soli (für alle in der Schweiz geborenen Menschen), entweder unmittelbar bei der Geburt oder durch entsprechendes Gesuch innert einer zu definierenden Frist, über die Verleihung von Ansprüchen auf die Einbürgerung bis hin zu einer Vereinfachung der inhaltlichen und formellen Einbürgerungsvoraus-setzungen.
Eine radikale Lösung wäre, das Schweizer Bürgerrecht vom kantonalen und kommunalen zu trennen. Diese müssten dabei nicht verschwinden, deren Erwerb würde aber nicht mehr Voraussetzung des Schweizer Bürgerrechts bilden, und insofern könnten sich dann allenfalls auch besondere lokale Kriterien rechtfertigen. Für die Erteilung des Schweizer Bürgerrechts würde hingegen lediglich ein gesamt-schweizerisch einheitliches Bundesverfahren mit schweizweit gleichen Voraus-setzungen zur Anwendung gelangen, wie das regelmässig in anderen Ländern, auch in Bundesstaaten wie Deutschland, der Fall ist. Rechtlich kommt dem kantonalen und kommunalen Bürgerrecht ohnehin kaum mehr Bedeutung zu, nachdem die frühere Anknüpfung der Fürsorge (heute: Sozialhilfe) an das Bürgerrecht schon seit längerer Zeit durch die Anknüpfung an den Wohnsitz abgelöst worden ist. Auch die politischen Rechte werden heute ja am Wohnsitz ausgeübt. Die Hauptfunktion der Bürger-gemeinden, wo solche noch vorkommen, und die damit verbundenen politischen Rechte der Bürger:innen beschränken sich im Wesentlichen auf die Durchführung des kommunalen Einbürgerungsverfahrens, womit dieses sozusagen zum kaum mehr begründbaren Selbstzweck wird.
Demokratie-Initiative
Hier setzt die Demokratie-Initiative bei der Einbürgerung (auch nach den Initiant:innen „Vierviertel-Initiative“ genannt) an. Sie wählt einen Mittelweg bei der Lösungssuche. Das dreiteilige Bürgerrecht bleibt unangetastet, und es wird nicht ausgeschlossen, dass die Kantone und Gemeinden weiterhin am Verfahren zur Verleihung des Schweizer Bürgerrechts mitwirken. Es soll auch kein Jus soli eingeführt werden. Neu geregelt wird lediglich die ordentliche Einbürgerung; für die übrigen Einbürgerungsformen ergeben sich keine Änderungen. Vorgesehen ist, dass einheitlich einen Anspruch auf ordentliche Einbürgerung erhält, wer seit fünf Jahren rechtmässig in der Schweiz lebt und einzig vom Bund bestimmte zeitliche und inhaltliche Kriterien erfüllt. Heute können Kantone und Gemeinden über das Bundesrecht hinausgehende Voraussetzungen für die Einbürgerung festlegen. Dadurch werden unterschiedliche und oft subjektive Kriterien für eine Einbürgerung verlangt. Mit der Demokratie-Initiative werden die heute oft anzutreffende Willkür unterbunden und das Einbürgerungsverfahren schweizweit harmonisiert. Die zeitlichen, inhaltlichen und verfahrensmässigen Voraussetzungen der ordentlichen Einbürgerung sollen gesamtschweizerisch angeglichen werden.
Bisher erweisen sich zum Beispiel die erwähnten kantonalen und kommunalen Wohn-sitzfristen als nicht mehr zu rechtfertigende Erschwerung einer Einbürgerung. Die uneinheitliche Anwendung der sowieso schon strengen Integrationsanforderungen ist ebenfalls nicht mehr haltbar. Auch ist es diskriminierend, wenn Menschen, die Sozialhilfe beziehen müssen, wozu es regelmässig unverschuldet kommt, das Bürger-recht verwehrt bleibt.
Um dem zu begegnen, wird der Artikel 38 Absatz 2 der Bundesverfassung wie folgt geändert:
Der Bund erlässt Vorschriften über die Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern.
Anspruch auf Erteilung des Bürgerrechts auf Gesuch hin haben Ausländerinnen und Ausländer, die:
a. sich seit fünf Jahren rechtmässig in der Schweiz aufhalten;
b. nicht zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sind;
c. die innere und äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährden; und
d. Grundkenntnisse einer Landessprache haben.
Die Annahme dieser Verfassungsbestimmung würde niemanden zwingen, das Schweizer Bürgerrecht zu erwerben, aber den Zugang zur schweizerischen Staats-angehörigkeit im Vergleich zu heute erheblich erleichtern. Selbst wenn sich auch weiterhin, aus verschiedenen Gründen, nicht alle ausländischen Personen einbürgern lassen würden, ergäbe sich dadurch zumindest für alle diejenigen, die an der schweizerischen Gesellschaft intensiver teilhaben und am hiesigen politischen Leben teilnehmen wollen, eine deutlich verbesserte Chance, dies auch zu erreichen.
Wer steht hinter dieser Initiative?
Die Initiative wurde von der Aktion Vierviertel lanciert. Es sind Menschen aus der Zivil-gesellschaft, die sich beruflich und privat mit Themen rund um Migration, Demokratie, Politik, gerechte Gesellschaften und gleichberechtigte Teilhabe in der Schweiz beschäftigen. Sie fordern, dass Bund, Kantone und Gemeinden Einbürgerungen im Interesse einer echten Demokratie aktiv fördern sollen. Das heutige Verfahren ziele auf Selektion und beruhe auf dem Verdacht, dass jemand etwas verlangen könnte, das ihm oder ihr nicht zusteht. Diese Haltung müsse sich ändern. In der Schweiz lebende Menschen, die noch keinen Pass haben, sollen willkommen geheissen, unterstützt und zur Einbürgerung eingeladen werden. Eine wirksame Fördermass-nahme sei zum Beispiel, auf Gebühren zu verzichten.
Das Initiativkomitee verlangt objektive Kriterien und faire Verfahren. Veraltete, un-sachliche und willkürliche Kriterien sollen abgeschafft werden. Gemäss dem Initiativ-komitee muss die Einbürgerung von einer Verwaltungsbehörde in einem schnellen und günstigen Bewilligungs-verfahren, was allerdings nur indirekt aus dem Initiativtext hervorgeht, und nach gesamtschweizerisch einheitlichen Standards erteilt werden. Schliesslich soll auch nicht mehr zulässig sein, dass nicht eingebürgert wird, wer eine Landessprache (bspw. Französisch) beherrscht, nur weil es sich nicht um die am Wohnort gesprochene (bspw. Deutsch) handelt. Letztlich gelten im Bund alle Landessprachen als gleichwertig; es ist nicht logisch, davon bei der Verleihung des Schweizer Bürgerrechts eine Ausnahme zu machen.
Würdigung
Der Club Helvétique würde sich auch weitergehenden Lösungen nicht verschliessen, unterstützt aber jedenfalls die moderat ausgestaltete Initiative, weil sie ein Demo-kratiedefizit angeht und bei ihrer Annahme die Qualität der Schweizer Demokratie wesentlich verbessern würde. Überdies führt sie zu mehr Rechtsstaatlichkeit bei den Einbürgerungsverfahren.
Cécile Bühlmann/Peter Uebersax
Die Aktion Vierviertel ist ein gemeinnütziger Verein mit dem Ziel, die Demokratie in der Schweiz zu fördern, sodass deren Einwohner*innen durch Erlangen des Bürgerrechts als vollwertige Mitglieder am politischen sowie gesellschaftlichen Leben partizipieren können. Die zivilgesellschaftliche Bewegung Aktion Vierviertel wurde 2020 gegründet, ist parteipolitisch und konfessionell neutral und hat ihre Geschäftsstelle in Bern.
Ende Mai 2023 hat die Aktion Vierviertel die Volksinitiative «Für ein modernes Bürgerrecht (Demokratie-Initiative)» lanciert.
Wir suchen eine*n Campaigner*in / Community Organizer*in Demokratie-Initiative mit einem Pensum von 50-60% ab sofort oder nach Vereinbarung. Die Stelle ist bis Ende 2024 befristet (nach Ablauf der Sammelfrist und Einreichung der Initiative Ende November 2024). Das Jahresgehalt beträgt zwischen CHF 80’000.- und 93’000.- auf 100% (brutto).
Gemeinsam in einem motivierten und solidarischen Team:
Die Bewerbung mit den üblichen Unterlagen richten Sie bis am 15. November 2023 an Tarek Naguib, Vorstandsmitglied, kontakt@aktionvierviertel.ch.
Aktion Vierviertel setzt sich ein für: ein Grundrecht auf Einbürgerung, für die gleichberechtigte und vollwertige politische sowie gesellschaftliche Teilhabe aller Einwohner*innen der Schweiz, für objektive und faire Einbürgerungsverfahren und für das Ius soli aller in der Schweiz geborenen Kinder.
Auf dem Weg zum Bundesstaat von 1848 war der Kanton St.Gallen ausschlaggebend. Das politische Denken wies weit über die Schweiz hinaus.
1848 ist das Schlüsseljahr für die moderne Schweiz. 1848 war auch ein Schlüsseljahr für Europa. In ganz Europa gab es damals Bewegungen und Revolutionen für Freiheit und Demokratie. Nur in der Schweiz war diese Revolution erfolgreich. Überall sonst setzten sich am Schluss die Reaktionäre durch, die Kaiser, die Könige.
Die Schweiz war damals, vor 175 Jahren, der politische Herzschlag Europas. Für die Demokratie. Für die Freiheit.
Das passte den Mächtigen, den Herrscherhäusern in Europa nicht. Aber sie waren damit beschäftigt, die Revolutionen in ihren eigenen Ländern niederzuschlagen. Als sie sich durchgesetzt hatten, war die moderne Schweiz schon gegründet: Die neue Bundesverfassung, der Bundesstaat von 1848. Für eine Intervention der reaktionären Mächte war es zu spät.
Keine andere staatliche Ordnung in Europa, kein anderer Staat weltweit ist in den letzten 175 Jahren so stabil geblieben. Mit Ausnahme der USA – die amerikanische Demokratie ist noch älter, sie stammt von 1776. Das amerikanische Zweikammersystem war das Vorbild für das schweizerische Zweikammersystem.
Dass der Bundesstaat 1848 gegründet werden konnte, war nicht selbstverständlich. Nicht nur im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern. Vor 1848 lagen 50 turbulente Jahre, beginnend mit der Helvetik, ohne die der Bundesstaat wohl nicht möglich geworden wäre. Politisch blieb in diesen fünf Jahrzehnten kein Stein auf dem anderen. Vieles war überraschend, unvorhersehbar.
In der Schweizer Geschichtsschreibung sind die fünf Jahrzehnte zwischen 1798 und 1848 auch schon als die «50 leeren Jahre» bezeichnet worden. Das ist aber vor allem ein Problem der Geschichtsschreibung. In der Realität waren diese Jahrzehnte alles andere als leer.
Das gilt gerade für den Kanton St.Gallen. Er spielte eine wichtige Rolle für den Sieg von Freiheit und Demokratie. St.Gallen war als sogenannter Mediationskanton ein Kunstgebilde aus verschiedenen Regionen, die keine gemeinsame Geschichte hatten. Aber gerade darum war St.Gallen vielleicht beispielhaft für die moderne Schweiz: Weil sich der Kanton St.Gallen nach der Mediation von 1803 aus dem Nichts neu erfinden musste.
Was war die alte Eidgenossenschaft vor 1798, also vor dem Einmarsch der Franzosen? Nichts anderes als ein Bündnis von ländlichen und städtischen Orten, die sich grössere Teile der heutigen Schweiz als Untertanengebiete teilten. Auch grössere Teile des heutigen Kantons St.Gallen gehörten dazu. 1798 wurden die Landvögte der alten Orte unter dem Jubel der Bevölkerung davongejagt.
Für die Schweiz war die sogenannte Franzosenzeit eine schwierige Zeit. Aber als Napoleon auf dem Schlachtfeld von den alten Mächten besiegt worden war, wollten die alten Orte, unter Einschluss des Fürstabts von St.Gallen, ihre Untertanengebiete zurück. Ironie der Geschichte: Das wurde ihnen am Wiener Kongress ausgerechnet von den reaktionären Mächten verwehrt, die überall sonst die alte Ordnung in Europa wieder herstellten. Zu wichtig war den europäischen Mächten die politische Stabilität der Schweiz in der Mitte Europas, als dass sie diese wieder riskieren wollten. Die Stabilität war nur garantiert, wenn an der neuen Ordnung der Kantone nichts geändert wurde.
Das alles ermöglichte die entscheidende Rolle des Kantons St.Gallen in den Jahrzehnten vor 1848: St.Gallen wurde zu einem Labor für Demokratie und Freiheit.
Der Bundesverfassung von 1848 voraus gingen die Kämpfe um die sogenannten Regenerationsverfassungen in den Kantonen Anfang der 1830er Jahre. Sie waren europaweit aufsehenerregend. Am weitesten ging der Kanton St.Gallen mit der Einführung des sogenannten Volksvetos, dem Vorläufer des Referendums. Das war eine weltweite Premiere. Und der Erfolg einer Volksbewegung. Volksversammlungen in Altstätten, in Wattwil und in St.Gallenkappel hatten stürmisch eine neue Verfassung verlangt, aber «keine von oben herab, sondern von unten herauf».
Das erste Volksveto hatte zwar noch einen Geburtsfehler, indem die Nichtteilnehmenden als Ja-Stimmen gewertet wurden. Das änderte aber nichts daran, dass das Referendum von der politischen Idee zur politischen Realität wurde, zuerst in ein paar Kantonen, dann im Bund. Der Idee zum Durchbruch verhalfen Volksbewegungen, wie bei allen demokratiepolitischen Fortschritten.
St.Gallen stand damals nicht nur bei den direktdemokratischen Rechten an der Spitze. Dies galt, zusammen mit dem Thurgau, auch beim Wahlrecht. Fast überall galt sonst damals der sogenannte Zensus, das heisst das Wahlrecht stand nur den Vermögenden zu. Das allgemeine Wahlrecht zunächst der Männer musste erst einmal erkämpft werden.
Dank den direktdemokratischen Rechten, dem Referendum, der Volksinitiative, war die Schweiz im 19. Jahrhundert die weltweit führende Demokratie, bis sie diesen Spitzenplatz im 20. Jahrhundert verlor und wegen des gewaltigen Rückstands beim Frauenstimmrecht unter den Demokratien fast zum Schlusslicht wurde.
Das zweite Grossereignis der St.Galler Bewegung für Demokratie und Freiheit mit europäischer Ausstrahlung nach dem Volksveto war die Grosskundgebung vom 7. August 1836 in Flawil. 8000 Männer demonstrierten für die Verteidigung des Asylrechts, der Freiheit und des Selbstbestimmungsrechts. Die reaktionären Mächte in Europa hatten nicht länger hinnehmen wollen, dass die Schweiz revolutionäre Freiheitskämpfer aus ganz Europa beherbergte und ihnen Asyl gewährte. Als die Tagsatzung den massiven Drohungen der europäischen Monarchien nachgeben wollte, sorgten die Volksbewegungen, allen voran jene von Flawil, dafür, dass die Schweiz ein Hort der Freiheit und des Asylrechts blieb. Viele der freiheitlich gesinnten Flüchtlinge spielten für die Schweiz wirtschaftlich und politisch eine bedeutende Rolle.
Das dritte entscheidende Ereignis jener Jahre, mit dem St.Gallen zum Schicksalskanton für die moderne Schweiz wurde, war die Landsgemeinde des Bezirks Gaster vom 2. Mai 1847 in Schänis. Die Tagsatzung war nach der Gründung des Sonderbunds durch die katholischen Orte durch ein Patt blockiert. Jetzt kam alles auf den Kanton St.Gallen an. St.Gallen war ein mehrheitlich katholischer Kanton, in dem aber auch liberale Katholiken politisch eine grosse Rolle spielten. Nicht nur an der Tagsatzung, sondern auch im St.Galler Grossen Rat herrschte Stimmengleichheit, ein Patt.
Niemand hatte damit gerechnet, dass ausgerechnet der katholische Bezirk Gaster den Entscheid für die moderne Schweiz herbeiführen würde, hatte die Landsgemeinde doch vorher immer und auch nachher immer konservativ gewählt. Am 2. Mai 1847 aber setzten sich erstmalig und einmalig die liberalen Katholiken durch. Mit der Folge, dass die Mehrheitsverhältnisse im St.Galler Grossen Rat kippten. Und damit auch die Mehrheitsverhältnisse an der Tagsatzung. Mit dem Beschluss zur Auflösung des Sonderbunds und der militärischen Intervention war der Weg frei zur Bundesverfassung und zum Bundesstaat von 1848.
Der Bezirk Gaster war, als es darauf ankam, auf der Höhe der historischen Aufgabe. Gegen alle Wahrscheinlichkeiten wurde hier ein Weg nach vorne geöffnet. Die Landsgemeinde von Schänis, das heisst ihr unerwarteter Ausgang, war für die moderne Schweiz ein Glücksfall.
Was können wir aus diesem spannenden Stück Geschichte unseres Landes für die Gegenwart ableiten?
Auf dem Prüfstand steht wieder die Demokratie. Wenn wir im 19. Jahrhundert der Leuchtturm waren und im 20. Jahrhundert zum Schlusslicht wurden, weil die Männermehrheit den Frauen bis vor 50 Jahren das Stimm- und Wahlrecht verweigerte, dann muss es heute zu denken geben, dass wieder mehr als ein Viertel der ständigen Wohnbevölkerung von den politischen Rechten ausgeschlossen ist. Der Anteil der Ausgeschlossenen nimmt zu. Viele von ihnen sind hier geboren worden und aufgewachsen. Es braucht einen neuen demokratischen Aufbruch, wie jener im jungen Bundesstaat. Stark erschwert wurde der Zugang zum Bürgerrecht erst im Laufe des 20. Jahrhunderts, also in jüngerer Zeit.
Dass die Zusammensetzung unserer Bevölkerung vielfältiger geworden ist, ist dabei keine Schwäche, sondern eine Stärke. Nicht nur im Fussball, wo die Schweiz inzwischen klar über ihrer Gewichtsklasse spielt. Gesellschaftlich und wirtschaftlich kann sich die Schweiz bei der Integration der Wohnbevölkerung sehen lassen, auch im internationalen Vergleich. Politisch hinken wir hinterher. Die Volksinitiative der Aktion Vierviertel für eine neues Bürgerrecht will das ändern. Die Schweiz ist zu Recht stolz auf die demokratischen Rechte. Das verträgt sich nicht damit, dass mehr als ein Viertel von den politischen Rechten ausgeschlossen sind.
1848 war die Schweiz als erste Demokratie in Europa stark fortschrittsorientiert. Der Bundesstaat schuf die Grundlagen dafür, dass sich die Schweiz, früher ein armes Land, auch wirtschaftlich stark entwickelte. Das politische Denken der Gründergenerationen des Bundesstaats war nicht eng und engherzig, sondern weit und weitherzig. Sie verstanden sich in grösseren Zusammenhängen. Der Kampf für Demokratie und Freiheit wies über die Schweiz weit hinaus.
Wenn wir uns heute fragen, was für die Zukunft wichtig ist, dann geht es bei den natürlichen Lebensgrundlagen um Herausforderungen, die es in dieser Dimension überhaupt noch nie gab. Wie nie in der Menschheitsgeschichte zuvor sind die Lebensgrundlagen in wenigen Generationen so verändert worden, dass sich mit dem menschengemachten Klimawandel planetarische Fragen stellen. Diese Fragen übersteigen die Dimensionen des Nationalstaats bei weitem. Sie können nur weltweit angegangen werden. Umso wichtiger ist es, dass alle, auch wir in der privilegierten Schweiz, ihren Beitrag leisten. Wir werden uns in späteren Jahrzehnten die Frage gefallen lassen müssen, ob wir heute auf der Höhe der Aufgabe gewesen sind. Ob wir alles getan haben, um die Lebensgrundlagen künftiger Generationen zu sichern.
Die Bundesverfassung von 1848 hielt fest, dass mit den Untertanenverhältnissen «alle Vorrechte des Orts, der Geburt, der Familien oder der Personen» abgeschafft seien. Das Versprechen der Rechtsgleichheit war damals revolutionär. Es ist bis heute aktuell geblieben. Wenn die Menschen mit gleichen Rechten geboren werden, wenn es keine Untertanenverhältnisse und keine Vorrechte des Orts und der Geburt mehr gibt, dann misst sich das an den Lebensperspektiven der Menschen, den Chancen für alle.
Verkörpert sind diese in einem Bildungswesen, das allen Chancen eröffnet. Angefangen bei der öffentlichen Volksschule. Und in einem sozialen Rentensystem, wie es bei uns mit der AHV als Grundlage der Altersvorsorge weltweit wegweisend verankert wurde. Dem müssen wir Sorge tragen.
Die Erinnerung an die Geschichte des Bundesstaats ist kein Selbstzweck. Die Gründungsgeschichte schärft die Sinne dafür, dass auch wir, in unserer Zeit, uns auf der Höhe unserer Verantwortung bewegen müssen. Und daran denken, dass von den Entscheiden, die wir treffen, nicht nur wir, sondern auch zukünftige Generationen betroffen sind. Demokratie heisst, dass wir diese Verantwortung gemeinsam tragen.
Als Rede gehalten an der 1. August-Feier in Uznach.
Weiterführende Literatur:
E-Mail: kontakt@aktionvierviertel.ch
Bern, 31. Juli 2023
Medienmitteilung zum 1. August
Für eine Schweiz, die sich der Zukunft zuwendet
Feiertage sind gute Momente für Visionen – und gerade an jenem Tag, an dem die Eidgenossenschaft gefeiert wird, ist es an der Zeit, eine Vision für das Land zu entwickeln. Dazu gehört auch ein modernes Bürgerrecht. Aus diesem Grund hat die Aktion Vierviertel, ein breiter zivilgesellschaftlicher Zusammenschluss, im Frühsommer ihre Volksinitiative «Für ein modernes Bürgerrecht» – die Demokratie-Initiative – lanciert.
Die Schweiz schliesst rund ein Viertel ihrer Bevölkerung vom Bürgerrecht und damit von der Demokratie aus, sie hat weiterhin eines der restriktivsten Einbürgerungsgesetze Europas. Nicht einmal gemässigte politische Vorstösse der letzten Jahre, die diesen Missstand ändern wollten, hatten im Schweizer Parlament eine Chance: Erst diesen Juni hat der Nationalrat mit Unterstützung von SVP, FDP und Mittepartei vier Forderungen der GLP abgelehnt. Mit ihrer Demokratie-Initiative möchte die Aktion Vierviertel der Erzählung einer alten Schweiz ein realistisches Bild entgegensetzen. Arbër Bullakaj, Präsident von Aktion Vierviertel, meint dazu: «Wir wollen eine Schweiz, die die Vielfalt fördert, die persönlichen Freiheiten aller Bewohner:innen schützt und Fortschritt ermöglicht».
Die Schweizer Gesellschaft hat sich durch Migration und Globalisierung grundlegend verändert. Auf den Strassen, in den Vereinen, an den Schulen und in den Betrieben prägen Menschen mit Migrationsgeschichte das Land mit. 2019 hatten 37,7% der Bevölkerung einen sogenannten Migrationshintergrund, bei Kindern liegt dieser heute gar bei über 50%. «Wir leben in einer Gesellschaft, in der transnationale Lebenswelten und Mehrfachzugehörigkeiten gelebter Alltag sind und den Erfolg der Schweiz ausmachen», sagt Nadra Mao, Mitglied des Komitees der Demokratie-Initiative. Andererseits erfahren diese Menschen alltägliche Diskriminierung – die Klischees davon, wie Schweizer:innen aussehen und wie sie leben, würden nicht mehr zur Realität dieses Landes passen, so Mao.
Diese Diskrepanz führt dazu, dass sich zunehmend mehr Menschen für eine gerechte Schweiz einsetzen, die alle mit einbezieht. Aus diesem Grund will die Aktion Vierviertel die Vielfalt der Schweizer Gesellschaft als Ausgangspunkt nehmen, um die Schweiz im Sinne der Werte unserer Verfassung zu gestalten: demokratisch, freiheitlich, solidarisch, grund- und menschenrechtsbasiert und sozial gerecht. «Wir erkennen damit an, dass wir alle Mitglieder einer Schicksalsgemeinschaft sind», sagt Agnese Zucca, ebenfalls Mitglied des Initiativkomitees. «Wer dauerhaft hier lebt, soll dieses Land mitgestalten können.»
Denn bald schon steht ein weiteres Jubiläum bevor, das Anlass zur Reflexion bietet: Am 12. September wird die Schweizer Verfassung 175 Jahre alt. Höchste Zeit also, ein neues Kapitel in der Geschichte unseres Landes aufzuschlagen: eines, das echte Teilnahme ermöglicht. Das dafür nötige moderne Bürgerrecht strebt die Aktion Vierviertel mit ihrer Demokratie-Initiative an.
Für ein Grundrecht auf Einbürgerung
Vereinskonto: CHF 6248.4377.2001
IBAN CH86 0078 1624 8437 7200 1
BIC: KBSGCH22
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